Naturschutzrecht
Das Naturschutzrecht dient dem Schutz von Natur und Landschaft. Es enthält eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungs- und Schutzinstrumente, welche die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft maßgeblich beeinflussen und den Rahmen für deren Inanspruchnahme setzen. Die verfolgten Schutzansätze und -niveaus sind dabei ebenso divers wie die Natur und Landschaft selbst. Da das Mountainbiken überwiegend im Naturraum stattfindet, spielt das Naturschutzrecht sowohl hinsichtlich des Betriebs bestehender als auch der Schaffung neuer Infrastruktur eine zentrale Rolle.
Der Gesetzgeber hat die Notwendigkeit, dem Einzelnen den Zugang zur Natur zu ermöglichen, als zentrale Voraussetzung für die Erholung der Bevölkerung erkannt. Aus diesem Grund wurde in § 59 BNatSchG ein als allgemeiner Grundsatz des Naturschutzrechts ausgestaltetes Betretungsrecht der Allgemeinheit[1] normiert:
„(1) Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung ist allen gestattet (allgemeiner Grundsatz).“
Als allgemeiner Grundsatz ist diese Regelung abweichungsfest und kann durch Landesrecht nur aus wichtigen Gründen, etwa des Naturschutzes oder der Landschaftspflege, der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung, des Schutzes der Erholungsuchenden, der Vermeidung erheblicher Schäden oder der Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen eingeschränkt werden.[2] Das Betreten des Waldes ist gesondert im Forstrecht geregelt.[3]
Was bedeutet „Betreten“?
Der Begriff des „Betretens“ im Sinne des § 59 BNatSchG erfasst das Radfahren zunächst nicht direkt, sondern das Begehen einer Fläche zu Fuß (Wandern, Spazieren), aber auch sportliche Betätigungen wie etwa Joggen, Skifahren und Spielen.[4] Das sächsische Landesrecht erweitert diesen Katalog in § 27 II 2 SächsNatSchG auf das Radfahren auf dafür geeigneten Wegen[5]:
„(2) Zum Betreten gehören auch […]
- auf dafür geeigneten Wegen das Radfahren und das Fahren mit Krankenstühlen; Fußgänger dürfen weder belästigt noch behindert werden.“
Was sind „(geeignete) Wege“?
Hohe Anforderungen an die Beschaffenheit der „Wege“ sind nicht zu stellen. Ausreichend ist, dass sie begehbar sind.[6] Damit sind beispielsweise auch unbefestigte Feldwege und nicht planmäßig angelegte schmale Trampelpfade vom Betretungsrecht grundsätzlich erfasst, wenn sie durch die Allgemeinheit zu Erholungszwecken über einen nennenswerten Zeitraum genutzt wurden.[7]
- 27 II Nr. 2 SächsNatSchG schränkt das Recht zum Befahren mit Fahrrädern auf dafür „geeignete“ Wege ein. Er differenziert jedoch nicht zwischen den jeweiligen Arten des Fahrradfahrens. Gerade (verfestigte) Pfade, Steige oder Trampelpfade können aus Sicht des Mountainbikens „geeignet“ sein (etwa als Single Trail). Der Wortlaut der Norm steht mithin einer Benutzung solcher Wege nicht explizit entgegen.[8]
Ob ein Weg tatsächlich „geeignet“ ist, ist einerseits anhand objektiver Kriterien, andererseits unter Berücksichtigung von
Rücksichtnahmeerwägungen zu bestimmen. Naturbelassene Wege können beispielsweise nicht nur ideal für das Mountainbiken, sondern auch und gerade für andere Erholungsuchende geeignet sein. Deren Interessen müssen in die Betrachtung einfließen. Im Kontext des Forstrechts ist zum Beispiel ausdrücklich geregelt, dass auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen ist.
Die forstrechtlichen Grundsätze zum Rücksichtnahmegebot und zu Haftungsfragen werden ab Seite 45 behandelt.
Wann dient das Betreten dem „Zweck der Erholung“?
„Erholung im naturschutzrechtlichen Sinn ist das natur- und landschaftsverträglich ausgestaltete Natur- und Freizeiterleben einschließlich natur- und landschaftsverträglicher sportlicher Betätigung in der freien Landschaft, soweit dadurch die sonstigen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht beeinträchtigt werden“ (§ 7 I Nr. 3 BNatSchG). Dies zeigt, dass aus Sicht des Naturschutzes kein grundsätzlicher Widerspruch zwischen Erholung und Sport besteht. Ein Betreten zum Zweck der Berufsausübung oder aus kommerziellen beziehungsweise wirtschaftlichen Zwecken ist im Ausgangspunkt nicht vom Betretungsrecht erfasst.[9] Es reicht jedoch, dass der Erholungszweck bestimmend oder zumindest mitbestimmend ist.[10]
Organisatorisch geprägte Veranstaltungen können, müssen aber nicht beruflich oder wirtschaftlich im genannten Sinne sein. So können sich mehrere Personen geplant zu einer Gruppe zusammenfinden, um gemeinsam einer bestimmten (von der Norm gedeckten) Aktivität in der Natur und Landschaft nachzugehen.[11] Hier bedarf es im Einzelfall der Prüfung anhand der konkreten Umstände (etwa Teilnehmerzahl, Zuschauerzahl, Werbung und Bekanntmachung, Entgeltlichkeit etc.), ob es sich noch tatsächlich um einen Erholungszweck oder aber um Sport, Unterhaltung oder primär wirtschaftliche Interessen handelt.[12] Gegebenenfalls muss dabei zwischen den Teilnehmern und Organisatoren unterschieden werden.[13]
Fraglich ist in solchen Fällen ggf. auch, ob die in § 7 I Nr. 3 BNatSchG geforderte Naturverträglichkeit noch gewahrt ist. So wird ein Radmarathon nicht als „zum Zwecke der Erholung“ eingeordnet, da hier ein Befahren nicht als individuelle Person, sondern als Teil einer organisierten Veranstaltung unter Zahlung von Startgeldern und zum Zwecke des Wettbewerbs etc. erfolgt.[14] Begünstigt ist ausschließlich die jeweilige natürliche Person, die als individualisierter Teil der Allgemeinheit die freie Landschaft betritt.[15]
Sport als eine Form der Erholung
Durch den Vertrag von Lissabon erlangte die Europäische Union erstmals Kompetenzen in der Sportpolitik. Sie versteht unter Sport jede Form der körperlichen Betätigung, die durch gelegentliche oder organisierte Teilnahme darauf abzielt, die körperliche Fitness und das geistige Wohlbefinden auszudrücken oder zu verbessern, soziale Beziehungen zu knüpfen oder Ergebnisse im Wettkampf auf allen Ebenen zu erzielen.[16]
[1] Vgl. § 27 I SächsNatSchG. Hervorhebungen Autoren, nicht im Original.
[2] Vgl. § 59 II 2 BNatSchG.
[3] Vgl. § 59 II 1 BNatSchG.
[4] Maus, M., in: Frenz, W./Müggenborg, H. J. (2016), § 59, Rdnr. 17 ff.; Fischer-Hüftle, P., in: Frenz, W./Müggenborg, H. J. (2016), § 59, Rdnr. 12, 13.
[5] Hierbei ist auch die Einschränkung in § 27 I 2 SächsNatSchG bzgl. landwirtschaftlich genutzter
Flächen zu beachten.
Hervorhebungen Autoren, nicht im Original.
[6] OVG Bbg., Beschl. v. 14.10.2004 – 3a B 255/03 –, Rdnr. 15 (juris).
[7] Ebd.
[8] Siehe hierzu auch die Darstellung zu den rechtlichen Grundlagen eines nachhaltigen Wegebaus und -unterhalts auf Seite 56.
[9] Kraft, V., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 59, Rdnr. 19; Fischer-Hüftle, P., in: Schumacher, J./Fischer-Hüftle, P. (2010), § 59, Rdnr. 5.
[10] Kraft, V., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 59, Rdnr. 19.
[11] Ebd., Rdnr. 20.
[12] Fischer-Hüftle, P., in: Frenz, W./Müggenborg, H. J. (2016), § 59, Rdnr. 6.
[13] Vgl. Kraft, V. in Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 59, Rdnr. 20.
[14] Fischer-Hüftle, P. in Frenz, W./Müggenborg, H. J. (2016), § 59, Rdnr. 6; vgl. auch (zwar im Ergebnis offenlassend, hinterfragend) OVG NRW, Beschl. v. 8.10.2013 – 16 A 2083/10 –, Rdnr. 20 (juris) zu Wandertagen und Geocoaching.
[15] OVG NRW, Beschl. v. 8.10.2013 – 16 A 2083/10 –, Rdnr. 18 (juris).
[16] Sie folgt damit der Definition des Europarats (Council of Europe [2001], Art. 2, Abs. 1a).
Im Original: “Sport means all forms of physical activity which, through casual or organised participation, aim at expressing or improving physical fitness and mental well-being, forming social relationships or obtaining
results in competition at all levels.”
Das Bundesnaturschutzgesetz enthält eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen zum Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft. Nach § 20 II BNatSchG können Teile von Natur und Landschaft geschützt werden:
„1. […] als Naturschutzgebiet,
- […] als Nationalpark oder als Nationales Naturmonument,
- als Biosphärenreservat,
- […] als Landschaftsschutzgebiet,
- als Naturpark,
- als Naturdenkmal oder
- als geschützter Landschaftsbestandteil.“
Geschützt können sowohl vereinzelte Strukturen als auch großflächige Gebiete sein, welche u. a. durch unterschiedliche Schutzniveaus gekennzeichnet sind. Insbesondere bei Letzteren kann der gebietsbezogene Naturschutz ein Indikator dafür sein, ob innerhalb des Schutzgebiets das Mountainbiken schon jetzt möglich ist. Generell hilft das Wissen um den Schutzgrad in der Praxis bei der Einschätzung, ob beziehungsweise wo eine Entwicklung von touristischen Mountainbike-Angeboten sinnvoll und machbar erscheint.
Ob Mountainbiken oder die Umsetzung entsprechender Infrastruktur möglich und zulässig ist, muss anhand der konkreten Rechtsverordnung für das jeweilige Gebiet unter Berücksichtigung der grundsätzlichen rechtlichen Vorgaben zur jeweiligen Gebietskategorie bestimmt werden. Die Schutzgebiets-Steckbriefe vertiefen und ergänzen unter beispielhafter Heranziehung von Regelungen aus entsprechenden Schutzverordnungen diesen Überblick mit Hinweisen zur Nutzung vorhandener Infrastruktur und zur Entwicklung von MTB-Angeboten sowie zu ersten Ansprechpartnern.
Ein weiteres, äußerst bedeutsames, strenges und auch außerhalb von Schutzgebieten geltendes Schutzinstrumentarium ist das auf europarechtliche Vorgaben zurückgehende besondere Artenschutzrecht. Dieses findet in dieser Form seinen Ursprung in den europarechtlichen Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (dort insbesondere Artikel 12 und 13 FFH-RL) sowie der Vogelschutz-Richtlinie (dort insbesondere Artikel 5 VS-RL).
Im nationalen Recht wurden die unionsrechtlichen Vorgaben in den §§ 44 ff. BNatSchG umgesetzt. Die zentrale Vorschrift bildet § 44 BNatSchG. Dieser enthält insbesondere sogenannte Zugriffsverbote. Demnach ist gemäß § 44 I BNatSchG verboten,
- „wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten[1] nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
- wild lebende Tiere der streng geschützten Arten[2] und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
- Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
- wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören.“
Das besondere Artenschutzrecht umfasst mithin diverse Verbote, welche nicht nur die Individuen einer Art selbst betreffen, sondern auch deren Lebensräume und die Strukturen, die sie zur Fortpflanzung, Ruhe, Ernährung etc. benötigen. Aufgrund seiner allgemeinen Geltung bedarf es auch keiner weiteren Unterschutzstellung durch behördliche Festsetzungen oder Verordnungen. Dementsprechend müssen Akteure das Artenschutzrecht im Mountainbike-Tourismus bei ihren Planungen stets berücksichtigen.
§ 44 I Nr. 1 BNatSchG normiert ein Fang‑, Verletzungs- und Tötungsverbot, das Verbot, den Arten nachzustellen, sowie ein Entnahmeverbot mit Blick auf Entwicklungsstadien der (besonders geschützten[3]) Arten. Gerade bei der Umsetzung neuer Vorhaben stellen diese Verbote, vor allem das Tötungsverbot, den Anwender vor erhebliche Probleme. Bei der Realisierung von Vorhaben kann mitunter bei lebensnaher Betrachtung nie ausgeschlossen werden, dass – etwa durch Kollisionen – einzelne Exemplare zu Schaden kommen. Insbesondere aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten heraus hat die Rechtsprechung daher die sogenannte „Signifikanzschwelle“ eingeführt (siehe Kasten).
Diese sogenannte „Signifikanzrechtsprechung“ wurde zwischenzeitlich in § 44 V BNatSchG übernommen.
Das Störungsverbot (§ 44 I Nr. 2 BNatSchG) untersagt die erhebliche Störung wild lebender Tiere der streng geschützten[4] Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten. Störungen in diesem Sinne können auch optische oder akustische Reize, Bewegungen, aber auch solche durch statische Strukturen sein.[5]
ALLGEMEIN ANERKANNTE Rechtsprechung: Unvermeidliche Verluste sind hinzunehmen
- „Dass einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen […] zu Schaden kommen können, dürfte indes bei lebensnaher Betrachtung nie völlig auszuschließen sein. […] Solche kollisionsbedingten Einzelverluste sind zwar nicht ‚gewollt‘ […], müssen aber – wenn sie trotz aller Vermeidungsmaßnahmen doch vorkommen – als unvermeidlich hingenommen werden. […] Ein sachgerechtes Verständnis des Gesetzes führt daher zu der Auslegung, dass der Tötungstatbestand […] nur erfüllt ist, wenn sich das Kollisionsrisiko für die betroffenen Tierarten durch das Straßenbauvorhaben in signifikanter Weise erhöht. Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden oder dieses Risiko zumindest minimiert werden soll, wie Überflughilfen, Leitstrukturen u. Ä., in die Betrachtung einzubeziehen. Hiernach ist das Tötungsverbot nicht erfüllt, wenn das Vorhaben nach naturschutzfachlicher Einschätzung jedenfalls aufgrund der […] vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen kein signifikant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexem-plaren verursacht, mithin unter der Gefahrenschwelle in einem Risikobereich bleibt, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist, vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden […].“[6]
Erheblich ist eine Störung, in Folge derer sich der Erhaltungszustand der lokalen zusammenhängenden Lebensraum gemeinsam bewohnen.[7] Eine Verschlechterung liegt vor, wenn die Überlebenschancen, der Reproduktionserfolg oder die Reproduktionsfähigkeit einzelner Individuen vermindert werden.[8]
§ 44 I Nr. 3 BNatSchG enthält das Verbot der Beschädigung, Entnahme und Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten der besonders geschützten Arten. Obgleich Fortpflanzungs- und Ruhestätten nicht ständig genutzt werden müssen, um als solche zu fungieren, sind jedenfalls nur potenzielle nicht erfasst.[9]
ALLGEMEIN ANERKANNTE Rechtsprechung: Bestimmung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten
- „Der Schutz des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots wird […] nicht dem Lebensraum der geschützten Arten insgesamt, sondern nur selektiv den ausdrücklich bezeichneten Lebensstätten zuteil, die durch bestimmte Funktionen für die jeweilige Art geprägt sind. Zum Schutzobjekt gehört daher nicht das gesamte Jagd- oder Nahrungsrevier einer Art […]. Ebenso wenig fallen potenzielle […] Lebensstätten unter den Verbotstatbestand, weil es insoweit an dem erforderlichen Individuenbezug fehlt […]. Geschützt ist […] der als Ort der Fortpflanzung oder Ruhe dienende Gegenstand, z. B. einzelne Nester oder Höhlenbäume […]. In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär die Phase aktueller Nutzung der Lebensstätte; nach dem Zweck der Regelung ist der Schutz auf Abwesenheitszeiten auszudehnen, d. h. es können auch vorübergehend verlassene Lebensstätten einzubeziehen sein bei Tierarten, die regelmäßig zu derselben Lebensstätte […] zurückkehren […]. Das Verbot ist dagegen […] nicht erfüllt, wenn z. B. einem Vogelpaar weitere geeignete Nistplätze in seinem Brutrevier zur Verfügung stehen oder durch Ausgleichsmaßnahmen ohne zeitlichen Bruch bereitgestellt werden.“[10]
Gerade bei der Anlage neuer Mountainbike-Infrastruktur im Naturraum kann dies eine Rolle spielen.
Das Entnahme-, Beschädigungs- und Zerstörungsverbot für wild lebende Pflanzen (§ 44 I Nr. 4 BNatSchG) normiert noch Verbote im Zusammenhang mit wild lebenden Pflanzen der besonders geschützten Arten und ihren Entwicklungsformen. Der dort verwendete Begriff des Standortes ist eng auszulegen und meint den konkreten Standort, an dem die Pflanze wächst, und den Bereich, den sie unmittelbar für ihr Wachstum benötigt.
Die Verbotstatbestände müssen stets zusammen mit § 44 V BNatSchG gelesen werden, der Modifikationen sowie Privilegierungen enthält. Im Fall unvermeidbarer Beeinträchtigung durch Eingriffe in Natur und Landschaft (dazu noch unten) oder im Zusammenhang bestimmter baurechtlicher Konstellationen[11] enthalten die Sätze 2 bis 5 weitere Maßgaben an die Verbote des § 44 I BNatSchG. So modifizieren die Sätze 2 bis 4 die Verbote nach § 44 I Nr. 1 und 3 BNatSchG für dort genannte europäisch und national geschützte Arten. Für sonstige besonders geschützte Arten sieht Satz 5 sogar vor, dass in den in Satz 1 genannten Fällen bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vorliegt.
Kann der Eintritt eines Verbotstatbestandes nicht vermieden werden, sieht § 45 BNatSchG Ausnahmevorschriften vor. Praxisrelevant ist insbesondere § 45 VII BNatSchG. Demnach können die zuständi-gen Naturschutzbehörden von den Verboten im Einzelfall Ausnahmen zulassen
- zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
- zum Schutz der natürlich vorkommen-den Tier- und Pflanzenwelt,
- für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
- im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
- aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Vor allem der zuletzt genannte Ausnahmegrund eröffnet die Möglichkeit, insbesondere auch sonstigen – überwiegenden – öffentlichen Interessen (auch wirtschaftlicher Natur) gerecht zu werden. Es darf sich bei solchen dementsprechend nicht um solche handeln, welche faktisch nur privaten Interessen dienen.[12] Das bedeutet nicht, dass dies nur für öffentliche Vorhaben gilt, zumal auch private Vorhaben öffentlichen Interessen dienen können.[13] Aufgrund der Vorgabe, dass es sich um „zwingende“ Gründe handeln muss, ist ein bloßer Verweis auf allgemeine politische Ziele ohne räumliche, zeitliche oder funktionale Konkretisierung nicht hinreichend.[14]
[1] Zur Definition dieser Arten siehe § 7 II Nr. 13 BNatSchG.
[2] Zur Definition dieser Arten siehe § 7 II Nr. 14 BNatSchG.
[3] § 7 II Nr. 13 BNatSchG.
[4] § 7 II Nr. 14 BNatSchG.
[5] Heugel, M., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 44, Rdnr. 14.
[6] BVerwG, Urt. v. 9.7.2008 – 9 A 14.07 –, Rdnr. 91
(juris). Auslassungen nicht im Original.
[7] Lau, M., in: Frenz, W./Müggenborg, H. J. (2016), § 44, Rdnr. 19.
[8] Heugel, M., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 44, Rdnr. 15.
[9] Ebd., § 44, Rdnr. 17.
[10] BVerwG, Urt. v. 12.8.2009 – 9 A 64.07 –, Rdnr. 68 (juris). Auslassungen nicht im Original.
[11] Vgl. § 44 V 1 BNatSchG.
[12] Lütkes, S., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 45, Rdnr. 44; Lau, M., in: Frenz, W./Müggenborg, H. J. (2016), § 45, Rdnr. 18.
[13] Lütkes, S., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 45, Rdnr. 44.
[14] Lau, M., in: Frenz, W./Müggenborg, H. J. (2016), § 45, Rdnr. 18.
Die §§ 13 ff. BNatSchG regeln die sogenannte Eingriffsregelung. Vereinfacht gesagt geht es um die Vermeidung und Kompensation von Eingriffen in die Natur und Landschaft. So sind grundlegend erheb-liche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vom Verursacher vorrangig zu vermeiden. Soweit solche Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden sind, sind diese durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren (§ 13 BNatSchG).
Die Eingriffsregelung regelt also nicht die Zulässigkeit des Vorhabens als solches – diese richtet sich nach dem jeweiligen Fachrecht. Stattdessen klärt sie, ob – und wenn ja, wie – entsprechende Eingriffe ausgeglichen werden können. Können die Voraussetzungen nicht erfüllt werden, kann ein Vorhaben hieran, selbst wenn es den Vorgaben des Fachrechtes entspricht, scheitern. Im baurechtlichen Kontext gelten besondere Regelungen (vgl. § 18 I BNatSchG), welche jedoch auch zum Teil auf die Regelungen des Naturschutzrechts zurückgreifen.
Das Regelungsinstrumentarium der Eingriffsregelung ist daher vor allem im Kontext von Mountainbike insbesondere im Rahmen der Neuanlage erforderlicher Infrastruktur von Belang. Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach § 14 I BNatSchG
„Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderung des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.“
Diese Definition zeigt, dass es sich um ein grundsätzlich weites Spektrum von möglichen Eingriffen handelt. So umfasst die Veränderung der Gestalt etwa die Änderung des äußeren Erscheinungsbildes von geomorphologischen Erscheinungen oder der charakteristischen Pflanzenbestände.[1] Die Änderung der Nutzung von Grundflächen erfasst den Wechsel der Nutzungsart.
Ist eine Beeinträchtigung unvermeidbar, sind diese durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zu kompensieren (§ 15 II BNatSchG).
- Eine Beeinträchtigung ist ausgeglichen, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Dabei muss eine Kompensation unter Wahrung eines räumlich-funktionalen Zusammenhangs zum Eingriffsort erfolgen, sodass sie dort noch wirken, wo die Beeinträchtigungen auftreten.[2]
- Ersetzt hingegen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Im Gegensatz zum Ausgleich kommt es hier also „nur“ auf eine gleichwertige, nicht gleichartige Wiederherstellung an. Der räumlich-funktionale Zusammenhang ist in diesem Kontext gelockert, indem die Möglichkeit des Ersatzes auf den betroffenen Naturraum erweitert wird.[3]
Kann eine Beeinträchtigung nicht vermieden oder nicht in angemessener Frist kompensiert werden, kommt nicht automatisch
ein Ersatzgeld in Betracht. Vielmehr bestimmt § 15 V BNatSchG, dass ein Eingriff nicht zugelassen oder durchgeführt werden darf, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder in angemessener Frist zu kompensieren sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschafts-pflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgehen.
Erst wenn diese Abwägung zu Gunsten des Vorhabens beziehungsweise der Beeinträchtigung ausfällt, ist ein Ersatzgeld zu leisten. Die Zahlung ist zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden.[4]
Beispiel: NEUANLAGE EINES WEGES
- Die Neuanlage eines Weges in Natur und Landschaft geht mit einer Veränderung der Gestalt von Grundfläche einher. Die vorherigen dort vorhandenen Elemente werden beschädigt, dezimiert oder zerstört und durch andere ersetzt. Gleiches gilt für dort vorhandene Pflanzenbestände. Auch die Nutzung ändert sich von einer vormalig ungenutzten Fläche hin zu einem (Verkehrs-)Weg. Allerdings ist nicht jeglicher Eingriff zu vermeiden bzw. zu kompensieren. Vielmehr enthält die Eingriffsregelung eine Erheblichkeitsschwelle. Demnach liegt ein Eingriff nur dann vor, wenn dieser eine gewisse Gewichtigkeit aufweist und nachhaltig wirkt bzw. von Dauer ist.[5] Wann diese Schwelle überschritten ist, ist wiederum eine Frage des Einzelfalles und bedarf einer fachlichen Prüfung.[6]
Dagegen stellt die naturangepasste Nutzung bestehender Trails ohne erosive oder abrasive Schäden des Bodens oder der Vegetation im Regelfall (solange keine Beeinträchtigungen von Arten vorliegen) keinen Eingriff in Natur und Landschaft gemäß § 14 BNatSchG dar.[7]
[1] Lütkes, S., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 15,
Rdnr. 16.
[2] Fischer-Hüftle, P./Czybulka, D., in: Schumacher, J./ Fischer-Hüftle, P. (2010), § 15, Rdnr. 37.
[3] Ebd., Rdnr. 43.
[4] Ihre Höhe bemisst sich gemäß § 15 VI 2 BNatSchG nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Dauer und Schwere des Eingriffs. Die dem Verursacher erwachsenen Vorteile werden bei der Bemessung berücksichtigt.
[5] Ebd., § 14, Rdnr. 19.
[6] Vgl. hierzu ausführlich Fischer-Hüftle, P./Czybulka, D., in: Schumacher, J./Fischer-Hüftle, P. (2010), § 14, Rdnr. 26 ff. und 36 ff.
[7] Roth, R./Krämer, A./Armbruster, F. (2019), S. 55
Befreiung
Gemäß § 67 I BNatSchG kann u. a. von den Geboten und Verboten des BNatSchG und nach dem Naturschutzrecht der Länder auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn
- dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art notwendig ist oder
- die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Eine Unzumutbarkeit im Sinne der zweiten Alternative liegt aber erst dann vor, wenn sich die Belastungen im Rahmen einer Abwägung mit den öffentlichen Interessen, die mit dem betreffenden naturschutzrechtlichen Ge- oder Verbot verfolgt werden, wegen ihrer Besonderheiten und ihrer Schwere als unangemessen erweisen.[8] In der Praxis liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Unzumutbarkeit recht hoch.
[8] Heugel, M., in: Lütkes, S./Ewer, W. (2018), § 67, Rdnr. 12.